„Ich will auch unangenehme Geschichten erzählen“

In Social Media sind Radprofis inzwischen zahlreich vertreten, unter den Podcastern dagegen zumindest hierzulande rar. Zu den Ausnahmen zählt der Katusha-Sprinter Rick Zabel, der in der kommenden Saison für das Team Israel Cycling Academy fährt. Für den RennRad Cycling Club (R2C2) berichtet der Kölner von seinen Erfahrungen und Zielen als Podcaster („Plan Z“), von seinem Umgang mit der Doping-Vergangenheit seines Vaters – und von seinem Lieblings-Kapitän.

Wie ist die Idee zu „Plan Z“ entstanden?

Rick Zabel: Ich bin selbst begeisterter Podcast-Hörer, auch außerhalb des Radsports höre ich viele. Im Radsport-Bereich mag ich den Besenwagen-Podcast gerne, dort bin ich ein paar Mal selbst zu Gast gewesen. Ich wollte da auch zu anderen Dingen meinen Senf abzugeben, was nicht immer klappte, weil es andere Themen in den jeweiligen Folgen gab, die den Jungs wichtiger waren. Dann dachte ich: Ey, ich bin halbwegs redegewandt, habe interessante Geschichten zu erzählen, das Medium passt zu mir, außerdem gibt es in dem Bereich Radsport in Deutschland nichts von Profis – mach doch deinen eigenen Podcast! So kam das.

Plan Z – der Podcast von Rick Zabel

Deezer, Spotify, Apple

Welche anderen Podcasts hörst Du?

Ich bin großer Fan von „Gemischtes Hack“, habe 2016/2017 auch „Alle Wege führen nach Ruhm“ gehört. „Zeit Verbrechen“ oder „Zeit Wissen“ finde ich auch spannend – das ist ein cooles Medium, um sich beim Training weiterzubilden.

Und aus dem Radsport-Bereich, aus dem internationalen Bereich?

Ich höre fast nur deutsche Podcasts. Wenn ich von Freunden eine Empfehlung bekomme, höre ich auch mal in englische Podcasts rein. Ich habe früher mal für ein halbes Jahr einen Vlog geführt, auf Englisch. Jetzt beim Podcast ist mir aber klar, dass ich für den deutschen Radsport-Fan etwas machen möchte.

Rick Zabel ist noch im Dienste von Katusha-Alpecin unterwegs – ab 2020 bei Israel Cycling Academy unter Vertrag. Foto: Katusha-Alpecin

Wie ist das Feedback bisher?

Durchweg positiv. Ich bekomme viele Nachrichten zu den Folgen, besonders auf Instagram. So viele Zuschriften wie aktuell habe ich früher nie bekommen. Podcasts sind ein intimes Medium. Der Zuhörer nimmt sich Zeit für den Podcast, beim Autofahren oder Kochen, ist mit dem Podcaster quasi alleine in der Situation. Ich merke, dass sich dadurch gerade eine Community aufbaut, immer mehr Leute auf die Folgen reagieren und mir Vorschläge machen. Ich weiß nicht genau, welche Streamingzahlen andere Podcasts haben, aber ich habe einen kleinen Einblick bei den Besenwagen-Jungs, und die haben mir gesagt, dass sich meine Zahlen schon sehen lassen können.


Der R2C2 ist eine Community, in der Jedermänner und -frauen auf Profis und Experten treffen – um mit noch mehr Leidenschaft, Tempo und Spaß auf dem Rennrad unterwegs zu sein.


Warum ist es für einen Radprofi wichtig, eine Community aufzubauen?

Für mich ist das eine schöne Gelegenheit, jetzt schon die Karriere nach der Karriere ein bisschen anzufüttern, um dann im Gespräch zu bleiben – auch wenn dies nicht der Hauptgrund am Anfang war, hat sich dies so ergeben. Es ist wichtig, seine eigene Fanbase aufzubauen, die einem dabei hilft, später mit Partnern etwas zu entwickeln, Events beispielsweise. Mir macht der Kontakt zur Community Spaß. Ich genieße es, wenn ich Lob zu meinen Podcasts bekomme – das motiviert mich extra, auch im Radsport. Das ist cool!

Was bei Deinem Podcast auffällt, ist, dass Du klare Meinungen vertrittst, Haltung beweist. Das machen andere Podcasts wie der „Besenwagen“ auch, aber dort wird das teilweise ironisch gebrochen. Warum ist Dir das so wichtig?

Es gibt nichts Nervigeres als diese typischen Sportler-Interviews, sei es im Fußball oder in der Leichtathletik – mit Antworten, die man genauso erwartet hat und schon tausend Mal gehört hat. Wenn mich ein Freund fragt, ob er sich lieber Look- oder Shimano-Pedalen kaufen soll, sage ich ihm auch meine ehrliche Meinung – unabhängig davon, was bei mir am Rad dran ist. Warum sollte ich das im Podcast nicht machen? Ich habe immer Typen gemocht wie Stefan Kretzschmar oder Leon Goretzka, die sich zu allen möglichen Dingen äußern, ohne Angst zu haben anzuecken.

Mir ist es wichtig, die Wahrheit zu sagen, über mich selbst, aber auch über die Themen in meiner Welt, zur UCI, zum BDR. Nur so lassen sich Dinge bewegen! Mir ist es natürlich auch wichtig, dass ich keinen angreife, ohne mir vorher gründlich darüber Gedanken gemacht zu haben – und ich lasse mich gerne belehren, wenn ich falsch liege. Ich selbst stehe nicht im Rampenlicht irgendwelcher großer Erfolge, daher passt es besser zu mir, wenn ich die Stories hinter den Kulissen erzähle – zum Beispiel wie es ist, krank aus der Tour de France auszusteigen …

Was Dir dieses Jahr selbst passiert ist.

Der Fan sieht nur, dass ich Wochen später wieder bei einem Rennen auftauche, bekommt die Story aber nicht mit: wie schwer es ist, nach langer Vorbereitung bei der Tour de France auszusteigen, wie hart die Zeit zu Hause sein kann, die Selbstzweifel… Es gibt einfach viel emotionalere Stories als die zu den Gewinnern von Rennen, den Stürzen, zu Transfergerüchten. Geschichten, die ich mir mit meinen Trainingskollegen Juri, André und Nils erzähle – und dafür ist der Podcast ein tolles Medium. Genauso möchte ich von Leuten außerhalb des Radsports Stories hören: Was war der tollste Moment deiner Karriere? Wo lief es scheiße?

Wie schwer ist es für Dich, zu entscheiden, wie viel Du von Dir und Deiner Familie preisgibst? Ich denke da an die Podcast-Folge, in der Du die Doping-Vergangenheit Deines Vaters thematisiert hast.

Wenn es nur um mich ginge, würde ich vermutlich noch mehr erzählen, noch intimer werden. Meine Mama hört den Podcast, mein Vater manchmal auch. Ich weiß, wie schwierig das Thema für ihn ist, wenn er hört, dass seine Doping-Vergangenheit meine Karriere oder mich als Menschen auch belastet hat. Ich sage das dann trotzdem, weil dies sonst meinem Wahrheits-Anspruch nicht gerecht würde. Es ist eben mein Leben, mein Podcast – aber vielleicht sage ich das in solchen Fällen nicht ganz so deutlich, wie es möglich wäre.

Als Du Deinen Vater selbst in der Sendung hattest, ging es noch nicht ums Thema Doping. Hast Du nachher bereut, das Thema ausgespart zu haben?

Ich verfolge da einen anderen Plan. Mein Papa hatte eine große Karriere, insbesondere auch eine sehr lehrreiche Vergangenheit. Und ich hoffe, dass er selbst einmal bei mir noch mehr von seiner Zeit als Profi erzählen wird. Ich würde ihn gerne chronologisch über seine Karriere berichten lassen. Für mich wäre es der heilige Gral, wenn ich mich mit ihm hinsetzen könnte, um in einer Folge nur über seine Doping-Vergangenheit zu sprechen – ich bin nicht sicher, ob er das mitmachen würde. Das wäre aber der beste Weg, um den Leuten den Menschen hinter der Radsport-Maschinerie zu zeigen. Für mich wäre das interessant, weil ich auch nicht alles von damals weiß. Es ist viel Zeit seit damals vergangen, der Zeitpunkt passt also, er hat nichts zu verlieren, er kann nur gewinnen – ich habe so viele Zuschriften bekommen von Fans, die sich gefreut haben, überhaupt mal wieder etwas von ihm zu hören…

Im Radsport ist es ja so, dass die Profis, die Doping gestehen, wie Georg Preidler in diesem Jahr, sofort von der Bildfläche verschwinden. Aus diesen Geschichten lernt man aber nichts, eigentlich müsste man auf diese Menschen zugehen: Es ist scheiße, was du gemacht hast, da gibt es nichts zu beschönigen. Aber du hast keine Kinder umgebracht. Was kannst du den jungen Fahrern empfehlen, sodass sie erst gar nicht darüber nachdenken, etwas zu nehmen?

Wenn es von Jan Ullrich einen Podcast gäbe, dann würden mich die genauen Hintergründe seiner Geschichte interessieren, nicht das schon Bekannte. Das sind dann eben manchmal auch Tabu-Themen, die der Hörer haben möchte. Ich will in meinem Podcast jedenfalls kein Blatt vor den Mund nehmen, auch unangenehme Geschichten erzählen – und nicht immer nur erzählen, wie ich mich ernähre als Radsportler. Das könnt ihr auch woanders hören oder lesen.

Verfolgst du, was Lance Armstrong mit seinem Podcast macht, wie er mit seiner Vergangenheit umgeht?

Seinen Podcast kenne ich nicht, aber ich folge ihm auf Instagram. Lance geht amerikanisch mit seiner Vergangenheit um. Er hat sein Doping-Geständnis riesig groß inszeniert im Fernsehen. Aber das passt zu ihm. Er ist der Typ, der polarisiert – hate me or love me –, er geht nach vorne, statt sich zurückzuziehen. Aber dafür muss man auch der Typ sein.

Er ist aber eben nicht nur der Typ, der auf der Bühne agiert. Er ist ja auch zu Leuten geflogen, zu denen er damals mies war, und hat sich persönlich entschuldigt.

Das wusste ich gar nicht. Cool.

Dein Podcast ist immer häufiger dialogisch, Du hattest schon Deine Freundin, Deinen Dad, Deine Trainingskollegen zu Gast. Ist das die Richtung, die Du anstrebst?

Ja, die meisten Folgen werden Gespräche sein. Ich muss aber mal schauen, wie das während der Saison sein wird. Aber auch dann bin ich immer mit anderen deutschsprachigen Fahrern unterwegs und könnte nach dem Rennen mit einem Marco Haller oder Simon Geschke sprechen.

Gibt es Wunschgäste von Dir?

Jens Voigt steht bei mir ganz oben, außerdem Kristina Vogel, die ich noch von der Sportschule in Erfurt kenne – und Jan Ullrich wäre natürlich auch toll. Vielleicht habe ich ja auch mal einen Fußball-Nationalspieler am Mikro, das wäre auch toll.

Welche Radsport-Themen siehst du auf keinen Fall bei Dir im Podcast?

Absolute Watt- oder Aerodynamikfreaks werden bei mir im Podcast sicher nicht so ganz auf ihre Kosten kommen. Sonst gibt es nichts, was thematisch nicht passen würde. Außer teaminterne Dinge, die ich nicht erzählen darf, natürlich.

Ich würde Dir gerne noch zwei Fragen stellen, die R2C2-Mitglieder eingereicht haben: Mit welchem Kapitän hattest Du am meisten Spaß bisher in den Rennen?

Alexander Kristoff. Er hat eine geile Mentalität. Er kann zwölf Mal sterben und ist dennoch fit für den Sprint. Er sprintet auch für einen fünften Platz noch bis zur Linie statt aufzugeben. Ich musste mich oft total anstrengen, bei ihm mitzufahren, statt am Berg auf ihn zu warten. Er fährt auf so einem hohen Niveau. Er ist das ideale Vorbild als Kapitän.

Ist das Einhalten der Ernährung für Dich schwierig?

Ja, schon, auch wenn ich nicht die sportler-Maschine bin. Ich esse auch schon mal das, was nicht auf dem Plan steht, bin froh, dass ich kein Bergfahrer bin. Bei den Klassikern ist es nicht so wichtig, ob man ein, zwei Kilo zuviel wiegt. Aber zwischen März und Juli, besonders zur Tour de France, sündige ich sehr wenig.

Fragen, Text: Daniel Lenz

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