310 Kilometer, 8964 Höhenmeter – wie Frederik Böna das Everesting am Königsstuhl meisterte

In der Rennrad-Szene ist Frederik Böna inzwischen für herausragende Leistungen bekannt. 2019 nahm der Mann aus der Nähe von Heidelberg am Rennen Paris-Brest-Paris teil – und kam nur eine Woche später beim Ötztaler Radmarathon in weniger als acht Stunden ins Ziel. Jetzt ist Frederik seinen Hausberg, den Königsstuhl in Heidelberg, 20 Mal hochgefahren – Everesting geschafft! Wie ihm das gelang, das schildert unser R2C2-Mitglied in seinem Bericht.

05:00 Uhr, Ostersonntag 2020 – während die meisten Menschen an diesem Tag noch fest schlafen, weckt mich das Klingeln meines Weckers aus dem Schlaf. Nach einem Frühstück, bestehend aus zwei Broten mit Nutella, zwei Broten mit Honig, zwei Bananen und einem Joghurt, rolle ich in der Dunkelheit zum Fuße meines Hausberges, dem Königsstuhls. Dort warte ich auf Tobias Wolfsteiner, der mich die ersten Auffahrten begleiten wird.

Das große Frieren am Anfang

Um 06:00 Uhr, immer noch in der Dunkelheit und sehr kühlen Temperaturen, starten wir gemeinsam mein Projekt Everesting. 8848 Höhenmeter, das entspricht 20 Auffahrten nach oben und damit rund 300 Kilometer. Während der ersten 7,6 Kilometer langen und 460 Höhenmeter umfassenden Auffahrt wird es relativ schnell hell, allerdings bleibt es sehr frisch. Tobias hat Beinlinge, lange Handschuhe, eine Wintermütze und eine warme Jacke an, ich selbst lediglich eine Windweste und Armlinge. – Ich möchte mein Everesting im Rennmodus angehen und bin auch dementsprechend angezogen, auch wenn mich Tobias dafür für verrückt erklärt. Bergauf wird mir dann aber zum Glück doch schnell warm, was allerdings nicht nur an der Belastung liegt, sondern auch an einer Inversionswetterlage.

Auf dem 590 Metern hoch gelegenen Wendepunkt am Fernsehturm auf dem Königsstuhl ist es tatsächlich vier Grad wärmer als am Start auf 130 Metern. Das bekomme ich mit meiner leichten Bekleidung in den ersten drei Abfahrten schmerzlich zu spüren. Für die Auffahrten habe ich mir ein Pacing von 240 Watt, das entspricht bei mir rund 75 Prozent des aktuellen Schwellenwertes, vorgenommen. In den ersten drei Abfahrten muss ich teilweise mindestens genauso viel Watt treten, um einigermaßen warm zu bleiben. Erst ab der vierten Abfahrt gegen 9 Uhr wird es spürbar wärmer und ich kann die Abfahrten tatsächlich zur Erholung nutzen.

240 Watt als Richtwert

Die ersten Auffahrten verlaufen genau so, wie ich es mir vorgestellt habe. Meine angestrebten 240 Watt erreiche ich problemlos, ich muss vielmehr sogar darauf achten, nicht immer wieder deutlich mehr Watt zu treten. Seit 8.30 Uhr stehen mein Vater und meine Schwester an der Strecke und versorgen mich aus einem, von der Firma PMS Thomin zur Verfügung gestellten, Transporter, in dem sogar ein Ersatzfahrrad für den Fall eines größeren Defekts Platz findet.

Meine Ernährungsstrategie sieht so aus, dass ich ausschließlich Fast Carb von Ministry of Nutrition trinke und ansonsten hauptsächlich auf Gels von Winforce setze. Jede Stunde eines dieser Gels sollte in Kombination mit dem Fast Carb ausreichen, so mein Plan. Für den Fall, dass ich doch einmal etwas Festes essen möchte, hatte ich meiner Schwester im Vorfeld einige Riegel von Xenofit und Sponser, aber auch zahlreiche Bananen bereit gestellt.

Geplant war eigentlich, das Everesting als Testlauf für das Race Across The Alps (RATA) zu nutzen und dementsprechend auch die Ernährungsstrategie auf ihre Verträglichkeit zu testen. Das RATA ist inzwischen leider – ebenso wie viele andere Rennen – dem Coronavirus zum Opfer gefallen, nichtsdestotrotz wollte ich unbedingt an meiner Ernährungsstrategie festhalten. Nächstes Jahr ist ja hoffentlich wieder ein RATA.

Immer wieder neue Begleiter

Von Beginn an achte ich daher penibel darauf, regelmäßig zu trinken und zu essen. Ab etwa 8 Uhr begegnen Tobias, der mich immer noch begleitet, und ich immer wieder meinem Freund Joachim. Auch er wird heute ein paar Mal den Königsstuhl hoch fahren, um auf diese Weise an meinem Abenteuer teilhaben zu können und mich zu unterstützen. Auch wenn ich leider nicht mit ihm zusammen fahren kann, freue ich mich trotzdem jedes Mal, wenn ich ihm begegne.

Nach wie vor läuft es richtig gut bei mir. Auffahrt für Auffahrt lege ich in einer sehr konstanten Zeit von immer knapp über 30 Minuten zurück. Immer wieder bekomme ich neue Begleiter, die mich auf meinem Weg nach oben begleiten. Aufgrund des Coronavirus’ hatte ich damit gerechnet, die meiste Zeit alleine unterwegs zu sein. Im Vorfeld hatte ich die Hoffnung, nicht mehr als zehn Auffahrten alleine bewältigen zu müssen. Umso mehr freut es mich, dass ich letztendlich nur eineinhalb Mal den Weg nach oben ohne Begleitung zurücklegen muss. Der Königsstuhl ist nicht nur mein Hausberg, sondern auch ein echtes Stück Heimat für mich geworden, das bemerke ich an diesem Tag mehr denn je. Gefühlt kommen fast alle meine Freunde und Bekannte aus der Region vorbei, um mich entweder als Begleitung mit dem Rennrad oder als Zuschauer vom Straßenrand aus zu unterstützen. Teilweise bin ich wirklich gerührt, so sehr freue ich mich!

Als die Leistung einbricht

Leider muss ich bei meinen Auffahrten ab dem neunten Mal allerdings immer mehr kämpfen. Ohne mir erklären zu können warum, fällt es mir immer schwerer, meine anvisierten 240 Watt bergauf zu halten. Teilweise fallen mir selbst 200 Watt schon richtig schwer. Erste Zweifel kommen in mir auf: Habe ich irgendetwas falsch gemacht? Habe ich das Everesting zu sehr auf die leichte Schulter genommen? War ich angesichts meiner rund 7000 Jahreskilometer und zahlreicher Höhenmeter zu selbstsicher? Ich habe zu diesem Zeitpunkt meines Everestings rund 150 Kilometer und etwas mehr als 4000 Höhenmeter bewältigt, also letztendlich nichts, was ich nicht aus den Trainingseinheiten in den Wochen zuvor kannte. Zum ersten Mal fange ich an, mich zu fragen, ob ich es überhaupt schaffen werde.

Zum Glück habe ich während dieser schwierigen Phase zunächst mit Tobias, der mich nach einer kurzen Pause erneut begleitet, und anschließend mit Jago zwei starke Begleiter, die mich immer wieder motivieren und aufbauen. Jago hatte eigentlich das Ziel, in diesem Jahr an den UCI-Mountainbike-Weltmeisterschaften im Cross-Country in Albstadt teilzunehmen. Aufgrund des Coronavirus sind allerdings auch diese Weltmeisterschaften inzwischen abgesagt worden. Jagos Form wird gerade trotzdem immer besser. Das Tempo, das er anschlägt, entspricht genau meinem angestrebten Pacing. Doch in den ersten Auffahrten, die ich in Jagos Begleitung bewältige, fällt es mir schwer, an seiner Seite zu bleiben. Seinen Windschatten möchte ich – coronabedingt – lieber nicht in Anspruch nehmen.

Die Freude nach dem Tief

Doch mein Tief geht genauso schnell und auf unerklärliche Weise wieder vorbei, wie es gekommen war. Während der zwölften Auffahrt merke ich zu meiner großen Freude und Erleichterung, dass es wieder deutlich besser läuft. Ich finde wieder meinen Rhythmus, kann meine anvisierte Wattzahl wieder problemlos halten und habe zunehmend Spaß. Es ist eigentlich kaum zu glauben, selbst für mich nicht: Mit jeder Auffahrt fühle ich mich besser! Ich muss sogar immer wieder darauf achten, nicht deutlich mehr als 240 Watt zu treten. Noch bin ich skeptisch, ob es bis zum Schluss so weiterlaufen wird, aber die noch verbleibenden Höhenmeter werden immer weniger, ohne dass ich nachlasse.

Selbst die Abfahrten genieße ich inzwischen, was sicherlich auch an meinen neuen, 26 mm breiten Road Race-Reifen von Wolfpack liegt, die nicht nur sehr schnell sind, sondern auch viel Grip in den Kurven haben. Die sommerlichen Temperaturen von 26 Grad spielen mir ebenfalls in die Karten. Je heißer es ist, desto besser fühle ich mich in der Regel auch. Die letzten Auffahrten vergehen wie im Flug. Tobias kommt nach einer rund vierstündigen Pause wieder und begleitet mich erneut. Als er sich zuvor von mir verabschiedet hatte, hatte ich gerade mein Tief, jetzt geht es mir wieder unglaublich gut!

Ötztaler-Gewinnerin an der Seite

Die letzten Auffahrten bekomme ich dann auch noch Gesellschaft von Christina Rausch, u.a. Gewinnerin des Ötztaler Radmarathons 2019 und des Maratona dles Dolomites 2018 und 2019. Seitdem ich Christina beim „Schwarzwald Super!“ im Jahr 2017 kennen gelernt habe, hat sie mir immer wieder viele Tipps gegeben, die mir bei verschiedenen Radmarathons bereits sehr geholfen haben. Sie jetzt bei den letzten Auffahrten meines Everestings an meiner Seite zu haben, macht mich extrem glücklich!

Die 20. Auffahrt wird zur Triumphfahrt. Nach etwa der Hälfte des Anstiegs habe ich die 8848 Höhenmeter des Mount Everestings bewältigt. Natürlich mache ich aber die 20. Auffahrt auch noch voll und knacke dabei auch zum ersten Mal in diesem Jahr die Marke von 300 Kilometern. Mir geht es immer noch richtig gut, ich bin erleichtert und zufrieden. Am Ende stehen 310 Kilometer und 8964 Höhenmeter in einer Zeit von 13 Stunden und 26 Minuten auf dem Radcomputer. Mein erstes großes Saisonziel für 2020 habe ich erreicht, mein erstes Everesting habe ich erfolgreich gemeistert. Es wird bestimmt nicht mein letztes Everesting gewesen sein.

Fotos: Rainer Kraus

Mein großer Dank geht an alle, die mich während meines Everestings in irgendeiner Form unterstützt haben. Ich hätte nie damit gerechnet, so viel Zuspruch zu erhalten! Ohne die starke Begleitung, die ich immer wieder gehabt hätte, wäre ein so schnelles Everesting vermutlich nicht möglich gewesen. Aber auch die Menschen am Straßenrand und die, die mich über meine Social-Media-Kanäle immer wieder motiviert haben, gaben mir unheimlich viel Kraft. Ein besonderer Dank geht aber an meine Sponsoren PMS Thomin in Zuzenhausen, Jens Machacek mit seiner Winsole-Schuheinlage und Radanpassung, Wolfgang Arenz mit seinen Wolfpack-Reifen, Peter Fassbaender von Carbone, Ministry of Nutrition und Keego.

Sehr gefreut habe ich mich, dass der (Radsport-)Fotograf Rainer Kraus (u.a. Die Welt hat Pedale) extra aus Ingelheim bei Mainz anreist, um mein Projekt ein paar Stunden fotografisch zu begleiten.

Zu einem ganz besonderen Projekt gemacht haben mein Everesting außerdem mein guten Freund Dominik Schäfer, der über meine Social-Media-Kanäle zahlreiche Leute an meinem Eversting live teilhaben ließ, sowie meine Schwester und mein Vater, die mich quasi den ganzen Tag vor Ort mit allem versorgt haben, was ich brauchte. Nur dank dieser Unterstützung konnte mein Everesting ein für mich derart unvergessliches Erlebnis werden!

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